„Da sind’se!“
Das waren wohl die Worte des Tages. Doch dazu später.
Zunächst einmal zum Wetter: die griechische Vorhersage für Korfu (bewölkt, regnerisch, nachmittags Gewitter) wird wohl hier an der Nord-West-Küste nicht anerkannt. Es herrscht eitel Sonnenschein. Die bedrohlich schwarzen Wolken werfen ihre Schatten nur Richtung Inselmitte und Ostküste.
Doch zurück zur Überschrift. Die spät entschlossene Tochter hat gestern unmittelbar nach ihrer Ankunft damit begonnen, die verschollenen Tickets für das Festival „Rock am Ring“ zu suchen. Bis heute Morgen um elf ohne Erfolg. Die aufsteigende Panik dehnte sich über WhatsApp bis auf die smaragdgrüne Insel im ionischen Meer aus.
Alle Schubladen waren durchsucht, alle Teppiche angehoben, alle Mülltonnen durchwühlt, alle infrage kommenden Aktenordner durchgeblättert, unter allen Möbeln nachgeschaut worden: Nichts! Nada! Niente!
Morgen, am Mittwoch, um 06:00 Uhr sollte es losgehen. Die Lage schien hoffnungslos. Die Katastrophe unausweichlich. Alternativen: Keine!
Bis der ungekrönte Rommé-König auf den Plan trat. Ein Anruf. Ein Hinweis. Und am anderen Ende der Leitung ein erleichtertes „Da sind’se!“
Der Fund löste -dies sei nicht verschwiegen- natürlich auch in Griechenland Erleichterung und Begeisterung aus. Die Börsenkurse schossen in die Höhe, wildfremde Menschen lagen sich weinend in den Armen, es kam zu spontanen Arbeitsniederlegungen, vor dem Parlament wurde demonstriert und immer wieder stimmte die Menge „Jag älskar Sverige!“ von den Ärzten an. Was in der griechischen Übersetzung („Αγαπώ τη Σουηδία /Agapó ti Souidía“) -zugegeben- etwas unrhytmisch klingt.
Schon im Kindesalter bei der Ostereier-Suche war die spät entschlossene Tochter eine absolute Niete (sorry). Und manche Dinge ändern sich halt nie.
Da sich die Wetterentwicklung nicht ganz eindeutig darstellt, wird umgestellt von „Sonnen“ auf „Wandern“. Was Madame dazu veranlasst, den Sonnenschutz heute lediglich mit Melkfett sicherzustellen.
Plötzlich und zunächst fast ungewollt führt der Weg Richtung „Fisherman’s Cabin“, eine der ältesten und urigsten Tavernen abseits von Agios Georgios. Eine Stunde Fußweg unter uralten Oliven- und Maulbeerbäumen. Immer wieder wird der Blick auf das türkisblaue, kristallklare Meer freigegeben. Die Taverne selbst, direkt am Wasser gelegen, hat offenbar eine Auffrischung bekommen. Neue Möbel, neue Farben. Immer noch wie früher: der frisch gefangene Fisch, die variable Speisekarte, der knurrige Wirt und die unglaublich authentische Atmosphäre.
Hier gibt’s weder Mobilfunk-Empfang noch Internet und der Strom kommt aus einem Dieselgenerator.
Für den kleinen Hunger wird ein kleiner Tintenfisch bestellt. Eigentlich hatte ich ja die frittierten Dinger im Kopf. Stattdessen:
Das Team im Delfini möge mir verzeihen. Aber im Gegensatz zu gestern Abend ist das hier geschmacklich ein Quantensprung. Die Soße zum Fisch: zum Niederknien.
Am Schluss spendiert der Knurrige in der Küche noch einen Limoncello und gibt die Zutaten zur Soße preis.
Den Rückweg versüßen Maulbeeren direkt vom Baum, Eis aus der Truhe und Frappé in der Vales-Strandbar.
Auf den letzten steilen Metern hoch zum Haus kommt der Gedanke auf, ob die ganzen, meist laut und unfreundlich auftretenden Russen in Wirklichkeit vielleicht laut und unfreundlich auftretende Tschechen sind. Flüge nach Moskau oder Minsk scheint es nämlich keine zu geben, sehr wohl aber welche nach Prag und Ostrava.
Die Operation Melkfett hat dann bei Madame auch zum erwarteten Resultat geführt: Streifenmuster in allen Rot-Tönen.
Maria hat uns γεμιστές πιπεριές (gemistes piperies), gefüllte Paprika auf die Küchentheke gestellt. Vier (!) Stück, jede so groß wie ein Babykopf. Wir scheinen wirklich unterernährt auszusehen.
Dann nach Agios Stefanos ins „Olympia“. Überbackenes Huhn, Lamm „Stamna“, Cheese Pie, Chocolate Cake. Himmlisch!
Kommentar der Kellnerin, als sie die Dessertkarte auf den Tisch legt: „Our desserts. But we are limited.“ Und zählt die drei Dinge auf, die sie noch haben.
Zum Abschluss eines gelungenen Tages ein gelungener Rommé-Abend.